Tag 200: Markt in Castellane & Abenteuer in der Verdonschlucht

B: Heute ist Wochenmarkt in Castellane und auf Märkte stehen wir ja, wie gesagt. Und dieser hier ist jetzt mal wirklich klasse! Außer dem ganz normalen Obst und Gemüse, gibt’s hier: Käse naturellement, Honig, Weine, und für Martin Würste und Schinken, hausgemachte Pasten (ich kaufe eine aus Artischocken), Seifen, Öle,…. Nachdem wir uns mit unterschiedlichen Köstlichkeiten eingedeckt haben und wieder heimgefahren sind, haben wir tatsächlich noch Zeit für eine Wanderung.

M: Prozessionsspinner-Raupenketten, Geier, Wildschwein und Schlange – das sind die Zutaten unserer heutigen Wanderung an der Verdon-Schlucht.

Mit der braven Holda fahren wir 20km bis unterhalb des Point Sublime, der ebenfalls Ausgangs- oder End-Punkt des Wanderklassikers Grand Randonnée (GR) 4 ist. Den GR4 wollen wir auch noch „machen“ – aber das wäre heute entschieden zu viel und zu spät, denn der GR4 führt komplett durch die Schlucht und bietet über 13-14km keine „Ausstiegsmöglichkeit“. Also wählen wir kurz vor dem Einstieg in den „Samsonkorridor“ (einer Engstelle des Verdon zwischen hohen Felswänden) einen anderen Weg, der uns erst zum Flussufer bringt und uns dann schnaufend und stetig auf der anderen Schluchtseite nach oben und innerhalb von ca. 2h auf den Aussichtspunkt „Rancoumas“ führen wird, von dem man dann wiederum grandiose 400m in die Tiefe der Schlucht mit dem Verdon und dem GR4 blicken kann.

Erst mal geht es aber abwärts bis zum Fluss. Immer der gleiche Mist bei den Bergwanderungen – es geht dauernd hoch und runter …. aber schon die „Pont de Tusset“, die alte einbogige Brücke des Herdenauftriebspfades über den Verdon ist nach kurzem Abwärtsgang ein erster optischer Höhepunkt. Hier kann man sich die Hirten und ihre Herden leicht vorstellen, wie sie im Sommer auf ihrem Zug zu den Bergweiden unterwegs waren. Der Gebirgsfluss Verdon glitzert –extra für uns, oder?- herrlich in der Sonne, rauscht und wirkt – im Zusammenspiel mit den hohen Bergen, die er tief in der Schlucht durchschneidet, ist das alles eine grandiose Gesamtkomposition. Es ist kaum möglich, sich an dem ganzen Bild sattzusehen. Aber wir haben ja noch was vor. Also aufwärts. Von ca. 650m Höhe soll es auf max. 1136m hochgehen. Der Weg bekräftigt diese Angaben und lädt zum ständigen Schnaufen und Japsen ein (zumindest geht es mir so, Bettina macht dagegen mehr so den Gazelleneindruck…). Durch alte Wälder geht es auf steinigem Pfad kräftig nach oben und dann wieder ins Sonnenlicht. Irgendwann fallen uns Raupen auf, die in Ketten verbunden wortwörtlich unseren Weg kreuzen. Bloß nicht drauftreten! Aber das ist gar nicht so einfach, denn es sind recht viele Raupen-„Züge“ kreuz und quer unterwegs. Noch nie vorher sowas gesehen, da sind wir uns einig. Komisches Verhalten, oder? Später erfahren wir, dass es sich um die Raupen des Prozessionsspinners handelt, die z.B. überall in Südfrankreich auftreten und vorher in gesponnenen Nestern auf Baumspitzen auf ihren nächsten Lebensabschnitt gewartet haben. Dann krabbeln sie in Ketten die Bäume herunter, laufen z.B. uns vor die Füße und werden dann zu einem grauen Falter. Als Raupen allerdings sind die kleinen Viecher recht giftig – gut, dass wir keinerlei Drang verspürten, sie zu streicheln;)

Es geht weiter, über Stock und Stein und begleitet von viel Sonne und Wärme auf den Steinpfaden. Häufig raschelt es vor und neben uns – klar, das sind die sich sonnenden Eidechsen, die wir aufscheuchen. Irgendwann scheuchen wir aber noch ein anderes Reptil auf – schaut mal auf das Foto, mit dem ich gerade noch einen sich wegschlängelnden Teil des Tiers eingefangen habe;)

Später, an einer Kreuzung im Wald, geht es dann lt. Wanderführer rechts ab und später wieder rechts. Das erste „rechts“ finden wir. Das zweite „rechts“ auch. Aber dieses erst, nachdem wir nochmals ‘ne halbe Stunde weitergelatscht sind und dann zu der finalen Überzeugung kommen, dass weit vorher doch schon ein „rechts“ hätte sein können. Nachdem es dann neben uns, ein paar Büsche weiter, auch noch im Unterholz erschrocken grunzt und gleich darauf das Getrampel von einem größeren Tier –Wildschwein!- deutlich wird, gehen wir lieber mal zügig zurück, um noch bei Tageslicht an den grandiosen Aussichtspunkt und auch heil wieder zurück zu kommen.

Was die Wanderei in die Nacht hinein anbelangt, haben Bettina und ich schon so unsere gemeinsamen Erfahrungen gesammelt, die dann auch regelmäßig von leichten Uneinigkeiten begleitet waren. Das ist also zu vermeiden. Würden wir schnurstracks retour gehen, dann wäre es heute kein Problem, noch im Hellen zurück zu sein. Aber der Aussichtspunkt lockt. Und der ist ein gutes Stück ab des Weges. Hmm….. egal, auf geht’s. Wir nehmen den Weg, der sich als „rechts“ auch vorher schon angeboten hätte (wenn nur M: auf B: gehört hätte) und treffen dann mitten auf einem schmalen Pfad auf den hingesprayten Hinweis „Belvedere de Rancoumas“. Na also, geht doch. Und es lohnt sich dann auch richtig: Ein gigantischer Blick öffnet sich, wenn man sich weit über den Felsenrand herauslehnt (weshalb auch im Wanderführer der Hinweis stand: „Nur für schwindelfreie Personen empfohlen“). Tief, tief nach unten blickt man, bis um Flussgrund sind es 400 Höhenmeter. Etwas oberhalb des Flusses, der hier den engen Samson-Korridor verlässt, sieht man parallel den GR4 verlaufen – da kommen wir bald auch noch hin. Uns gegenüber tun sich die gigantischen Felswände der „Escalès“ auf. Dort wird eigentlich immer geklettert, nur heute nicht. Ob wir wohl irgendwie etwas spät dran sind? Also, Panorama tief einsaugen und abwärts.

Auf dem Rückweg noch schnell die imposanten und in der Verdonschlucht wieder heimischen Geier auf ihrem Thermikflug hoch oben bewundern und zügig abwärtsmarschieren. Wir kommen noch in der frühen Dämmerung bei der wartenden Holda an, erleben mit den letztem Glühen der Sonne noch einen echten Hingucker an einer senkrechten Felswand (als würde der Fels golden brennen) und sind in Castellane zurück, als gerade das letzte Tageslicht ausgeknipst wird.

Da keiner von uns noch Luft und Lust aufs Kochen hat, gibt’s heute „auswärts Warm“. Über das Essen in der Pizzeria am Marktplatz von Castellane hüllen wir aber lieber einen gnädigen Mantels des Schweigens ….

Trotz der Pleite am Schluss: Ein wirklich voller und schöner Tag – mit Wetterglück!

Markt in Castellane:

GR 49 – die Wanderung:

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