Tag 219: Marseille ist schön

B: Marseille, noch vor einigen Jahren verrufen, ein Moloch zu sein, hat viel für ihr neues Image getan. Jetzt wird sie als moderne, schöne Stadt mit charmantem Altstadtviertel gefeiert. 2013 war sie Kulturhauptstadt Europas. Madame, die den Marly Parc (unseren Stellplatz) leitet, hat uns gleich bei unserer Anmeldung einen anständigen Touristenstadtplan, mit schon vorgezeichneten Stadtspaziergängen, ausgehändigt und genau erklärt, wo welche Busse ab- und hinfahren. Drei dieser Spaziergang-Vorschläge gibt es, einem wollen wir heute folgen. Die meisten großen Städte sind mittlerweile so gut auf Touristen eingestellt, dass man mithilfe sehr guter Pläne in kurzer Zeit viel sehen kann. Am Hafen, dem Vieux-Port de Marseille, halten wir mit unserer Holda: Hier sind die Straßenkneipen und Cafés voller Leben, die Straßen voller Autos, die Promenaden voller Menschen. Wir lassen uns vom Hafen aus in einen kleinen, feinen Teil der Altstadt führen, in dem es schmale Gassen, bunte Häuser, kleine Läden und Cafés zu sehen gibt. Dann geht es weiter in Richtung der Cathédrale La Major, die wir uns allerdings nur von außen anschauen. Ab hier wird es modern: Zum Meer hin ist im Jahr 2013 ein weiter Platz, eigentlich eine künstliche Halbinsel, entstanden. Ganz in der Nähe gibt es das schicke Musée Regards de Provence, auf der Halbinsel selber stehen die Villa Méditerranée und das ganz schön beeindruckende MuCEM (Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée). Nur in das MuCEM gehen wir hinein, allerdings in keine Ausstellung. Wir wollen gerne über den Fußgängersteg, der übers Wasser zum Fort Saint-Jean führt, laufen. Doch es ist zu spät! Gerade als wir die Treppen hinauf in Richtung Steg gehen wollen, werden wir von ein paar Securities aufgehalten, die uns mitteilen, der Übergang sei eben geschlossen worden. Zu dumm, naja, dann vielleicht morgen. Auf unserem Rückweg, wieder Richtung alten Hafen entlang, tun mir schon langsam die Füße weh. Mit dem Moped soll’s nur noch heimgehen, morgen ist auch noch ein Tag für Marseille.

Dort am Hafen angekommen, sehen wir vor der Bushaltestelle eine Menschenmenge. Sie haben eine Landkarte ausgelegt, die inmitten von den umgebenden Ländern das Mittelmeer zeigt. Das Meer, auf dem zu dieser Zeit so viele Menschen ertrinken, derer hier gedacht wird: mit Musik, mit Ansprachen und mit Rosen, die später von Einzelnen hier im Hafen von Marseille in eben dieses Meer geworfen werden. Wir fahren zurück, jetzt brauche ich erst mal bisschen Zeit zum Verdauen.

M: Marseille, mit 900.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs, war nicht nur Kulturhauptstadt Europas, sondern ist auch seit 1996 „Welthauptstadt des Wassers“. Das passt gut, denn Marseille ist eine große Hafenstadt, die Rhône-Mündung mit der Camargue liegt nebenan und seit langer Zeit erschließt sich Frankreichs Zugang zu den Ländern am Mittelmeer und Afrika über diese Stadt.  

Das Stadtbild ist geprägt vom Ineinandergreifen der Kulturen und vom Zusammenleben von Menschen aus vielen Ländern, lt. Wikipedia: „Der Ausländeranteil liegt heute bei etwa 10 %, der Migrantenanteil insgesamt bei etwa 40 %. Werden frühere Einwanderungsbewegungen dazu gezählt, haben 90 % der Bevölkerung Vorfahren, die nicht aus Frankreich stammen.“

So ist es auch nicht verwunderlich -aber jedenfalls bemerkens- und anerkennenswert-  dass wir hier und heute Zeugen einer Traueraktion für Bootsflüchtlinge aus Afrika werden. Am Ende der Zeremonie werfen Menschen als Symbol Rosen in das Hafenwasser: Blumen in das nasse Grab.

Bettina titelt heute: „Marseille ist schön“. Das passt haargenau, denn genau so erleben wir an diesem Tag die Stadt. Große Investitionen seit den 90er Jahren haben dazu geführt, dass sich Marseille (den Besuchern) heute stark aufgewertet präsentiert. Das zeigt sich bereits schon an dem vor dem Vieux Port und dem Fort St. Jean neu geschaffenen Areal rund um das MuCEM und die Villa Méditerranée, dem Gebäude, das sich als architektonisch waghalsig um 90° gekipptes „L“ präsentiert und als „Centre international pour le dialogue et les échanges en Mediterranée“ definiert. Allein dieser Bereich wäre schon eine Reise wert.

Heute werden wir geadelt und dürfen auf dem Camper-Stellplatz auf einen regulären Platz umziehen:)

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