Tag 202: Grand Randonnèe GR4 – Wanderung in der Verdonschlucht

B: Heute schreibt Martin euch einen echten Krimi! 🙂
Und nicht zu vergessen: Ich hatte eine Ameise in der Teetasse in der tollen Kneipe!

M: Tssss. Also gut. B: will damit sagen, sie meine, dass ich dazu neigen würde, meine Beiträge evtl. etwas dramatisch zu gestalten – pah! Wohingegen ich ja meine, dass B: durchaus die tatsächliche Dramatik mancher Ereignisse noch etwas deutlicher herausstellen könnte. So, dann wäre das ja klar;):

(B: Mein Kommentar da oben war eigentlich nur als Gedankenstütze für Martin bestimmt, weil er den Text für heute schreiben sollte/wollte, den sollte der nach dem Schreiben löschen :)) )

M: Siehste, das haste jetzt davon;)

Also los geht’s: Heute, Ostermontag, brechen wir wieder auf. Das Wetter soll halbwegs gut werden (mit Variationen je nach befragtem Orakel) und wir wollen uns an ein Stück des GR4 wagen. „Unser“ Teilstück des Grand Randonnèe 4, als Sentier Blanc-Martel bekannt, ist ein spektakulärer und sehr bekannter Pfad hinein in den Grund der Verdon-Schlucht. Dieser Wanderklassiker führt dann 14km entlang des Flusses und hoch und runter über steile Leitern und durch dunkle Tunnel. Ist man erst einmal mitten auf dem Weg, gibt es keine Möglichkeit, aus der Schlucht „auszusteigen“. Man kann bei Punkt A beginnen und zu Punkt B wandern – oder andersrum. A ist die Gebirgshütte La Maline, dort soll es für uns losgehen. Das bedeutet aber, dass wir zuerst an Punkt B (am Point Sublime) ein Fahrzeug  deponieren müssen. Also wird die Holda an Punkt B ausgepackt und darf dort brav auf uns warten. Wir fahren mit dem Klaus gut 30km weiter, bis zu Punkt A, der am Rand der Route des Crêtes liegt. An der Gebirgshütte steigen wir in die Schlucht ein und ich freue mich bereits jetzt, dass wir die Route A-B gewählt haben. Zwar empfiehlt der Wanderführer die Gegenrichtung bei nicht vorhandener Schwindelfreiheit, aber das haben wir ja nicht;). Es geht erstmal nur abwärts und abwärts, bis zum Grund der Schlucht – von 900m auf 550m herunter. Da wollte ich nicht unbedingt am Schluss nach oben steigen. Dementsprechend geplagt sehen auch diejenigen aus, die uns hier keuchend entgegenkommen;)  

Mit einiger Wahrscheinlichkeit sind wir auch heute mit die letzten, die loslaufen. Das können wir gut und bringen es in diesem Punkt fast schon zur Perfektion. Aber noch haben wir genügend Zeit. Je nach Quelle soll es 5,5h bis 7,5h dauern, diesen Weg zu gehen. Es ist kurz nach 12:00, um 19:30 geht die Sonne unter, das sollte passen…. Ansonsten haben wir ja diesmal auch noch Stirnleuchte und Taschenlampe dabei, denn ohne die geht es in den Tunneln nicht!

Der Weg führt uns ganz herrlich durch Eichenwald und zarte Frühjahrsblüten, aber auch über lose Geröllfelder und immer entlang dem Flussbett des Verdon. Rechts und links türmen sich gigantisch die Felswände auf, an manchen Stellen sind es in die Höhe bis zur Oberkannte der Schlucht 400m. Nebenan aufragende Berge machen die ganze Aussicht noch dramatischer. Es geht gut voran bei uns und dann haben wir auf halber Strecke die Möglichkeit, noch eine halbe Stunde draufzupacken und an der „Carrefour de la Mescla“, kurz nach der Baume aux Boeufs (Ochsenhöhle), einen Abstecher zum Zusammenfluss der Flüsse Verdon und Artuby zu machen. Gesagt, getan. Am Zusammenfluss ist alles ganz lieblich, so machen wir auf einer Felsnase Rast und ich schaue sehnsüchtig den richtig großen Forellen hinterher ….. am Ende ist aus der halben eine ganze Stunde geworden, aber es ist immer noch alles im grünen Bereich.

Weiter geht’s, jetzt müssen wir steil nach oben, es fand sich für die Erbauer des Wanderwegs kein Weg am Flussbett entlang. Der Canyon wurde 1905 von dem Höhlenforscher Martel in drei Tagen erstbegangen. 1920 wurde, nach 3-jähriger Bauzeit, der vom Touring Club de France installierte Wanderweg  eröffnet. Um durch die große -den Couloir Samson- zu gelangen, nutzt die Wanderstrecke zwei von sieben Stollen, die für ein ehemaliges Wasserkraftwerk-Bauvorhaben in die Berge getrieben wurden. Nach Abbruch des Bauvorhabens während des ersten Weltkriegs verfielen die meisten Tunnel und sind heute (eigentlich) nicht mehr zugänglich.

Deshalb müssen alle, die den Weg gehen, von der halben Höhe des „Brèche Imbert“ wieder in die Tiefe der Schlucht absteigen (außer im Notfall oder bei Gewitter – dann ist doch der längste Stollen, der Tunnel von Gègue, zu nutzen). Ohne Hilfsmittel geht es hier nicht. Für den fast senkrechten Abstieg wurden hier Metallleitern zwischen den engen Felswänden verankert.
Das ist hier die Stelle, die, von A nach B begangen, gewisse Anforderungen an die Schwindelfreiheit stellen will;) Aber es klappt gut und ich bewundere diejenigen, die hier draußen diese Metallleiter-Konstruktionen erstellt und verschweißt haben. Tolle Leistung!  
Gut für uns ist, dass wir hier keinen Gegenverkehr haben, so lassen sich die 250 steilen Leiterstufen relativ entspannt nach unten gehen. Außerdem wurden die Leitern vor einigen Jahren überholt, es fühlt sich alles stabil an:)

Dann geht es vom Flussbett wieder aufwärts und abwärts, an der Höhle der Hirondelles (Schwalben) und der „Baume aux Chiens“ vorbei. Nach etlichen km erreichen wir die beiden schon beschriebenen Tunnel, ohne die es nicht weitergeht. Der erste ist gut 100m lang und man sieht wortwörtlich Licht am Ende des Tunnels. Der zweite ist 670m lang (nach anderen Quellen auch noch viel länger;)) und es wird zappeduster. Mit Stirnlampe klappt es ganz gut, der Boden ist aber sehr steinig und uneben – und pfützennass. Ein Vergnügen ist es nicht…

Die Tunnel bedeuten auch das nahe Finale des Weges in unserer Richtung A nach B. Kurz vor den Tunneln steht für die Leute, die aus der Gegenrichtung kommen (also von B), auf einem großen Warnschild, dass hier „Schluss mit lustig“ sei:

Warning!
End of easy footpath.
Difficult and dangerous stretches for the next 13km, with no escape route.
The Blanc-Martel Path runs in one direction only …
Suitable only for properly equipped and experienced hikers.

Na, da weißte doch Bescheid!
Und wir sind am Ziel nicht der Ansicht, dass der gute Kilometer, den die Wanderer aus der Gegenrichtung bis hier zurückgelegt haben, ein „easy foothpath“ sei;)

Umso erstaunlicher ist daher eine Begegnung, die wir mitten auf dem Weg hatten: Tröpfelweise und sehr weit auseinandergezogen kommt uns eine Schülergruppe ca. Sechzehnjähriger entgegen – sehr ambitioniertes Vorhaben!. Zuerst die Strebsamen mitsamt Lehrer, viertelstundenweise später die Raucher, dann die Pärchen, hintendran die Nerds und die, die eh keine Lust haben …. und dann kommt, bereits mit gut halbstündiger Verspätung, eine weitere, gemischte Truppe. Diese sammelt sich rund um ein Mädchen mit Krücken! Völlig absurde Situation, das kann eigentlich gar nicht funktionieren. Aber irgendwie schleppen und tragen die anderen die Krückenläuferin mit. Mehr als fragwürdig die ganze Aktion, aber andererseits auch wieder bemerkenswert. Lehrerseits unverantwortlich, aber solange es gutgeht …..    

Meanwhile, back in the tunnel: Hier, mitten in der Finsternis öffnet sich plötzlich eine Galerie zur Seite, von der ein herrlicher Blick in die große Engstelle des Canyons -den Couloir Samson- frei wird.
Endlich aus dem Tunnel heraus und wieder im Tageslicht angekommen, öffnet sich die Sicht auf die hohen Felswände und darüber kreisen wieder die Geier souverän in der Thermik – ein fantastischer Anblick!

Dann geht es noch ein paar einfachere Treppen hinunter und Stufen hinauf und wir sind an unserem Ziel angekommen, dem Parkplatz unterhalb des Punktes B, am Point Sublime. 6 Stunden haben wir gebraucht und dabei war noch eine Stunde Abstecher drin (und gefühlte 30 Minuten Fotozeit;)). Nicht schlecht, oder;)

Holda wartet brav an Punkt B auf uns und ist natürlich das letzte Fahrzeug auf dem Parkplatz. Nun aber los – es wird saukalt am Abend und wir müssen noch etliche Km fahren, um zum Klaus zu kommen (der ja bekanntlich an Punkt A auf uns wartet). Bettina setze ich im nächsten nennenswerten Ort ab, dort hat genau eine Kneipe offen. Dann brause ich über die Route des Crêtes, einer üblen Schlaglochpiste, in Rekordzeit zum Klaus, packe schnell die Holda ein und heize mit Klaus und Holda zurück nach La Palud sur Verdon, wo Bettina schon leicht ungeduldig im Café sitzt und sich dezent darüber beschwert, wo ich denn die ganze Zeit bleiben würde! Häh? Da hab‘ ich mich nach Kräften bemüht und war ganz stolz auf meine Bestzeit, aber hier kommt das  nicht an…

Möglicherweise liegt es aber auch an dem Haar in der Suppe, das hier allerdings eine Ameise im Tee war – siehe ganz oben.
Bettina meint, hier ganz sicher nicht Abend essen zu wollen, wofür ich Verständnis habe. Hier gibt es aber nichts anderes und Essen machen will von uns ganz bestimmt auch keiner mehr. Nach einigem Überlegen wagen wir es doch, denn im festen Mahl würden wir die Ameisen ja ohnehin kaum ausmachen können;)
Es wird dann doch ganz gut und ein ehrliches Essen, denn die Kneipe dient als Stützpunkt der Kletterer-Gilde, die eindeutig das Gros der Touristen im Örtchen bildet. Einen Heizstrahler gibt es auch, da lässt es sich aushalten, hier auf 900m Höhe, in La Palud sur Verdon. M
üde fallen wir später ins Bett, dass praktischerweise gleich 50m neben der Kneipe parkt. In der Nacht geht die Temperatur abwärts, es fällt auf ca. 3°C ab, aber im Klaus bleibt es warm:)  

 

                        

        

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